"KLIMANEUTRALITÄT MUSS EIN NO-BRAINER WERDEN"

Ein Interview mit Young-jin Choi, Phineo

Das Thema Impact Investing wird zukünftig zu einem der großen Leitbilder des Handelns, auch in der Immobilienbranche. Wir sprachen mit Young-jin Choi, Head of Research Impact Investing bei der Beratungsfirma Phineo, über die Herausforderungen und die Chancen für die Branche. Sie haben zusammen mit dem Institut für Corporate Governance in der deutschen Immobilienwirtschaft (ICG) einen Praxisleitfaden zum Social Impact Investing in der Immobilienbranche aufgelegt- wie groß ist das Interesse aus der Branche? Das Interesse ist groß und nimmt stetig zu. Das liegt sicher daran, dass die Themen Nachhaltigkeit und ESG für Asset Manager über alle Assetklassen hinweg immer wichtiger werden, sowohl was Markterwartungen als auch Regulierungsvorhaben betrifft. Damit erfährt auch die Praxis des Impact Investing, deren Erfolg sich an messbaren positiven Veränderungen in der realen Welt bemisst, eine zunehmende Aufmerksamkeit. Diese Entwicklung hat wiederum den Hintergrund, dass die nach wie vor ungelösten gesellschaftlichen Herausforderungen, mit denen die Menschheit derzeit konfrontiert ist - vor allem die Klimakrise, aber auch zunehmende soziale Ungleichheiten und Spannungen - einen immer größeren Druck auf unsere Gesellschaft ausüben. Immobilien spielen eine wichtige Rolle -sowohl als gesellschaftliches Problemfeld als auch als vielversprechender Veränderungshebel für eine nachhaltige Transformation unseres Wirtschaftssystems. Wenn Sie direkt kontaktiert werden- was sind die wichtigsten Anliegen? Die Impact Investing-Praxis ist für die Immobilienbranche noch relativ neu - insbesondere die damit verbundene Definition, Messung und das Management von Wirkung wirft noch einige Fragen auf. Dabei lässt sich zwischen ökologischen Wirkungen - wo Wirkungsindikatoren, Erfolgskriterien und Datenerhebungsverfahren in der Regel relativ gut bekannt sind - und sozialen Wirkungen, wo dies weniger der Fall ist, differenzieren. Wirkungsorientierung geht aber auch über das kontinuierliche Messen und Managen von positiven und negativen Wirkungen hinaus und beinhaltet auch die Definition von Wirkungsstrategien, Zielgruppen, Wirkungszielen und einer durchdachten Theorie der Veränderung. Wir sehen Unterstützungsbedarfe in all diesen Aspekten. Auch auf Ebene der Quartiersentwicklung besteht Interesse an einer Stärkung von Wirkungsorientierung sowohl seitens Immobilienunternehmen als auch der öffentlichen Hand. Was würden Sie sagen: Wie weit sind die deutschen Immobilien-Unternehmen, nachhaltige Aspekte umzusetzen und die Tragweite zu erkennen? Unterscheiden sich die Ansätze der verschiedenen Generationen in den Unternehmen? Einige Projektentwickler wie beispielsweise Interboden, die Landmarken AG und weitere ICG Mitglieder sind bereits seit Jahren an der sozialen und ökologischen Nachhaltigkeitswirkung ihrer Gebäude orientiert. Auch bei vielen städtischen Wohnungsgesellschaften steckt eine soziale Wirkungsorientierung bereits in ihrer DNA, wenngleich die Tools, Frameworks und Methoden, die im Impact Investing Anwendung finden, noch nicht ausreichend verbreitet sind. Die meisten Akteure aus der Branche stehen noch am Anfang einer längeren Reise aber haben erkannt, dass soziale und ökologische Nachhaltigkeitskriterien eine entscheidende Rolle spielen müssen. Gerade jüngere Generationen in Familienunternehmen treiben diese Dynamik mit Nachdruck voran, das gilt für viele Unternehmensfamilien unabhängig von der Branche, aber es könnten sicherlich noch deutlich mehr sein. Können Sie einen Vergleich mit anderen europäischen Staaten ziehen? In einigen Ländern in Europa ist der Markt weiter gereift als in Deutschland, was sich auch in der regulatorischen Rahmenordnung widerspiegelt. Besonders der englische Markt nimmt eine herausragende Position ein, was aber auch dadurch erleichtert wird, dass der Wohnungsmarkt dort anders organisiert ist. Beispielsweise sind flexiblere Mietpreise (Stichwort "flexrent") möglich, Auskunftsrechte ermöglichen eine stärkere Zielgruppenorientierung, Förderprogramme sind weiterreichender und wirkungsvoller - so ermöglichen beispielsweise Steuererleichterungen die Entwicklung von bezahlbaren und ökologisch nachhaltigen Wohnraum, ohne dass Entwickler und Investoren dafür am Ende auf zusätzlichen Ausgaben oder deutlichen Margenverlusten sitzen bleiben müssen. Gibt es ein Verständnis dafür, dass Impact Investing deutlich mehr ist, als die ESG-Kriterien zu erfüllen? Das Verständnis dafür breitet sich zunehmend aus, dazu leistet der ICG Praxisleitfaden einen wichtigen Beitrag, ebenso wie eine neue Arbeitsgruppe innerhalb der Bundesinitiative Impact Investing, die sich mit der Immobilienbranche befasst. Zunehmend mehren sich kritische Stimmen an der herkömmlichen Praxis des ESG Investing u.a. wird die unzureichende Berücksichtigung von positiven und negativen Wirkungen in der realen Welt bemängelt. Das wird durch Impact Investing adressiert. Man sollte dabei aber auch bedenken, dass man vom Impact Investing nur so viel erwarten kann, wie die Rahmenordnung hergibt: Solange negative Externalitäten, wie beispielsweise Treibhausgasemissionen, nicht ausreichend bepreist werden, oder bezahlbares Wohnen nicht ausreichend gefördert wird, wird die Wirkungsperformance - nachdem die "No Brainers" und "Quick Wins" ausgeschöpft worden sind - an harte ökonomische Grenzen stoßen. Ab dieser Grenze werden zusätzliche positive Wirkungen zunehmend teuer bzw. negative Wirkungen kommen einfach zu "billig" weg. Da funktioniert der Markt nicht, wie er sollte.

Wie beurteilen Sie die derzeitige Kooperation von Unternehmen mit Akteuren, z. B. aus dem Stiftungs- oder Gemeinwohlbereich? Soweit ich informiert bin, gibt es derzeit - jenseits von Dienstleistungsverhältnissen - nicht viele enge Kooperationen mit einem Fokus auf wirkungsorientiertes Bauen bzw. Verwalten, es könnten also durchaus mehr sein. Aber es gibt sicher auch Ausnahmen, wie beispielsweise die Hoffnungsträger-Stiftung welche für Ihre holzbasierten und sozialkompetent verwalteten Häuser bekannt ist. Große Stiftungen, Kirchenbanken und Wohlfahrtsträger haben in der Regel einen signifikanten Anteil an Immobilien im Portfolio und stellen hohe Anforderungen bei Neubau- und Sanierungsprojekten. Besonders spannend sind in diesem Zusammenhang auch neuere Non-Profitorganisationen wie z.B. das Bauhaus der Erde, eine Klimaschutzinitiative, welche mit Unternehmen zusammenarbeitet, um "Engineered Timber" als einen überlegenen und zugleich klimapositiven Baustoff zu skalieren. Klaffen die Interessen von Investoren und den Praktikern, sprich Projektentwicklern, im Moment auseinander? Ich denke, das kann in der Realität immer wieder vorkommen. Ebenso wie es ein Spektrum an Investoren gibt, deren Wirkungsorientierung mehr oder weniger stark ausgeprägt ist, gibt es dieses Spektrum bei Projektentwicklern. Oftmals scheint die Umsetzung der zirkulären Ökonomie eine Herausforderung dazustellen - die ökonomische Verwendung der wertvollen Baustoffe am Ende des Lebenszyklus liegt oft so weit in der Zukunft, dass sich viele Investoren schwertun, diesen Wertbeitrag angemessen einzupreisen. Hier könnten innovative Finanzierungsinstrumente Abhilfe schaffen. Eine ähnliche Herausforderung stellt ein typischer Zielkonflikt dar: Viele Projektentwickler haben ein größeres Interesse daran, den kurzfristigen Verkaufspreis zu maximieren, als für maximale Energieeffizienz und minimale operative Betriebskosten zu sorgen. Da in der Regel primär die Mieter von geringeren Betriebskosten profitieren und diese Einsparungen oft nicht ausreichend in die Bewertung einfließen, haben auch viele Investoren ein eher geringes Interesse daran. Was wünschen Sie sich im Hinblick auf Impact Investing von der Branche? Zunächst wünsche ich mir natürlich, dass wir mehr inspirierende Praxisbeispiele für wirkungsorientierte Immobilieninvestments sehen. Das beinhaltet auch mehr Impact Asset Manager, die sich gezielt dafür entscheiden, im Rahmen ihres Investmentmandats auch ein Wirkungsmandat und eine Wirkungsstrategie zu verfolgen, anstatt mit höchster Priorität Rendite zu maximieren. Vor allem wünsche ich mir, dass sich die Rahmenbedingungen, die Anreize und Sanktionen für Wirkung so verändern, dass Impact Investing zu einer Selbstverständlichkeit wird, so dass das finanziell attraktivste Gebäude zugleich auch das mit der höchsten positiven sozialen und/oder ökologischen Wirkung ist. Es muss zum "No Brainer" werden, den gesamten sanierungsbedürftigen Gebäudebestand klimaneutral zu machen. Um dahin zu kommen, brauchen wir im Schulterschluss mit der Zivilgesellschaft den gesellschaftspolitischen Aktivismus einer kritischen Menge von Akteuren in der Branche, welche effektive Rahmenbedingungen als Chance und Katalysator für die beschleunigte Transition in eine nachhaltige Welt sehen. Das Gespräch führte Silke Lambeck. Phineo ist eine Beratungs- und Analysegesellschaft mit Sitz in Berlin und München. Sie hat es sich zur Aufgabe gemacht, Gesellschaften, Firmen und Stiftungen beim wirkungsorientierten Handeln zu beraten. Gemeinsam mit dem Institute for Corporate Governance in der Immobilienwirtschaft hat Phineo den Praxisleitfaden herausgegeben.

Bilder: Ibene Green Campus in Bocholt (© greeen! architects/ bloomimages Berlin GmbH) Mixed-Use Projekt in Düsseldorf (© GBI Holding AG)