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Ein gutes Planungs-Tool, Mut zur Kreativität und viel Beziehungsarbeit: Non-Profit-Finanzvorständin Rabea Haß verrät, wie sie den Überblick über Fördertöpfe behält und vorausschauend plant.

Viele Non-Profits hangeln sich von Projektförderung zu Projektförderung, können nur schwierig Personal einstellen und nicht langfristig planen. Hinzu kommt, dass man bei mehreren Fördernden schon mal den Überblick verlieren kann. Wie lässt es sich vorausschauender kalkulieren? Darüber haben wir mit Rabea Haß gesprochen. Sie ist Gründerin des Sozialunternehmens Kitchen on the Run und ehrenamtliche Finanzvorständin des Vereins Über den Tellerrand München

Fundraising – was bedeutet das für dich?

Rabea Haß: Zum einen natürlich ganz klassisch, an die Ressourcen zu kommen, die ich brauche, um ein Projekt umzusetzen. Mit Ressourcen meine ich neben Geld zum Beispiel auch passende Räumlichkeiten, Sachspenden oder personelle Unterstützung von Ehrenamtlichen. Aber mindestens genauso wichtig ist, dass Fundraising auch starke Beziehungsarbeit ist. Wir versuchen, mit unseren Fördernden stets auf Augenhöhe zu kommunizieren.

Was sind deine Aufgaben als ehrenamtliche Finanzvorständin?

Rabea Haß: Ich behalte im Blick, wie wir die Fördergelder verteilen, wann ein Fördertopf ausläuft und wie wir damit umgehen. In meinen Bereich fallen unter anderem auch Querschnittsposten wie laufende Versicherungskosten, damit alle Ehrenamtlichen unfall- und haftpflichtversichert sind, angemietete Büroräume oder eine Buchhaltung auf 450-Euro-Basis, die wir im Jahr 2022 eingestellt haben.

Welche Hilfsmittel benutzt du, um den Überblick über die Finanzen zu behalten?

Rabea Haß: Eine schlichte Excel-Tabelle. Darin wird jedes unserer Projekte abgebildet – inklusive Laufzeit und was wir dafür ausgeben dürfen. Dahinter ist eine strategische Planung gelegt. Es gibt für jeden einzelnen Fördertopf ein Tabellenblatt mit Soll-Ist-Abgleich. Ich bin studierte Soziologin, hatte also ursprünglich mit Zahlen nichts am Hut. Aber ich habe keine Angst vor Zahlen. Es lohnt sich, nach Unterstützer*innen Ausschau zu halten, auf die das auch zutrifft.

Viele Non-Profits leben eher von der Hand in den Mund als längerfristig zu planen. Wie schafft man das trotzdem und nebenher und bleibt dabei strukturiert und nachhaltig?

Rabea Haß: Ich mache das auch neben meinem Job her. Es ist kein riesiger Aufwand. Am besten ist es, sich von Anfang an ein sauberes Planungs-Tool zuzulegen – im Notfall genügt eine simple Einnahmen-Ausgaben-Liste.

Übersicht: Einnahmequellen gemeinnütziger Organisationen

Was macht man mit Geldern, die nicht projektgebunden sind? Wie kann man hier nachhaltig planen? 

Rabea Haß: Wir rechnen wenn möglich immer eine pauschale Overhead-Summe mit ein – bei vielen Förderstiftungen geht das. Auch das ist Teil der Beziehungsarbeit: Wenn wir die Gründe dafür erklären, gibt es oft ein Entgegenkommen.

Bei öffentlichen Geldern ist häufig vorgegeben, welcher Anteil der Fördersumme für Overhead ausgegeben werden darf. Oft sind das nur fünf Prozent, aber dafür darf man häufig anteilig die Geschäftsführung mit reinschreiben. Auch da gehen wir in der Regel mit den Fördernden ins Gespräch und bitten darum, dass wir die Kosten aufs Jahr hochrechnen dürfen.

Wir bemühen uns auch um nicht zweckgebundene Gelder, zum Beispiel 500 Euro Unternehmensspenden zur freien Verwendung. Das ist nicht mit viel Aufwand verbunden: Spendenquittung ausstellen, Foto mit den Spender*innen machen, fertig.

Wie geht ihr damit um, wenn ihr laufende Projekte weiter finanzieren wollt und dafür neue Anträge schreibt? Meistens wollen Fördernde innovative neue Projekte unterstützen, die sich nach Ende der Förderphase selbst tragen. Gerade im sozialen Bereich ist das aber sehr herausfordernd.

Rabea Haß: Ich habe das Gefühl, dass es bei den Fördernden ein langsames Umdenken gibt. Auch hier ist Beziehungsarbeit wichtig. Das erste Pilotjahr von Kitchen on the Run haben wir überwiegend aus den Spenden aus einer Crowdfunding-Kampagne und frei zu verwendenden Geldern aus einem Ideenwettbewerb finanziert.

Das Pilotjahr lief so gut, dass das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge es als Leuchtturmprojekt finanziert hat. So hatten wir drei Jahre lang eine staatliche Förderung, im Anschluss kamen Förderungen von Stiftungen dazu.

Viele Non-Profits machen einen Bogen um öffentliche Gelder, weil die Anträge meist aufwändig sind. Aber es lohnt sich, da die Förderungen oft eine Mindestlaufzeit von zwei Jahren haben und Kosten wie die Miete und Personal darüber finanziert werden können.

Es kann auch helfen, einem laufenden Projekt einen neuen Fokus zu geben – aber natürlich nur, wenn dieser sowieso aufgrund veränderter Bedarfe der Zielgruppe oder Umstände notwendig ist.

Wie kann man aus Geldern, die am Ende des Jahres noch schnell ausgegeben werden müssen, möglichst viel rausholen?

Rabea Haß: Erstens ist es wichtig, sich die Fördertöpfe regelmäßig anzuschauen und sie gegebenenfalls umzuwidmen. Wegen Corona fallen zum Beispiel vielleicht weniger Sachkosten an, dafür braucht es eine zusätzliche studentische Hilfskraft, um digitale Zoom-Formate zu moderieren.

Zweitens frage ich nach, ob es eine Möglichkeit gibt, die Gelder zu verlängern. Drittens setze ich mich mit den Projektverantwortlichen zusammen und wir überlegen, welche sinnvolle Anschaffung wir tätigen können.

Viertens sind manchmal kreative Umschichtungen möglich. Wir haben das ganze Jahr über manches auf freie Spenden gebucht, weil wir dachten, uns reicht das Geld nicht. Aber die neuen Kochschürzen, die wir gekauft haben, können wir auch gut unter Öffentlichkeitsarbeit laufen lassen – und sie müssen nicht einem bestimmten Projekt zugewiesen werden. Sie können auch von allen Mitarbeitenden genutzt werden.

In vielen Anträgen ist die Rede von Eigenmitteln. Gerade kleine Organisationen haben aber häufig gar keine Eigenmittel. Wie geht man damit um? 

Rabea Haß: Es lohnt sich immer nachzufragen, wie hoch die Eigenmittel wirklich sein müssen. Steht vielleicht in Förderanträgen der Zusatz „In Ausnahmefällen können die Eigenmittel erlassen werden“? Manchmal kann man einen Teil der Eigenmittel auch mit der Arbeit der Ehrenamtlichen verrechnen.

Wenn man die Zusage für eine Förderung mit Eigenmittel-Voraussetzung – die ja meistens von der öffentlichen Hand kommen – schon so halb in der Tasche hat, kann man auch gut nochmal auf Stiftungen zugehen und sagen: Wir haben hier eine tolle Chance, aber uns fehlen noch 10.000 Euro Eigenmittel. Die Chance, dass Stiftungen dann den fehlenden Anteil übernehmen, ist recht groß.

Trotz nachhaltiger Finanzierung und dem Blick nach vorne ist nicht immer alles planbar, wie zuletzt Corona gezeigt hat. Wie steuert ihr gegen?

Rabea Haß: Wir versuchen, bereits zu Jahresbeginn für das komplette Jahr zu planen und machen quartalsweise den Gegencheck. Wir suchen das Gespräch mit unseren Fördernden, ob sich zum Beispiel der Durchführungszeitraum einer geplanten Aktion verschieben lässt, die wegen Corona nicht möglich war. Auch wenn Ziele nicht eingehalten werden können, weil Mitarbeitende länger ausfallen, das Büro plötzlich gekündigt wird oder die Zielgruppe schwerer erreichbar ist als gedacht, lohnt es sich, erstmal in die Kommunikation zu gehen.

Expertin:

Rabea Haß ist Gründerin des Sozialunternehmens Kitchen on the Run und ehrenamtliche Finanzvorständin bei Über den Tellerrand München e.V. Dort ist sie für die strategische Finanzplanung zuständig. Sie ist freiberufliche Organisations- und Strategieberaterin.

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