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Fast jeder Mensch im sozialen Sektor kennt mindestens eine Person, die durch Stress sehr belastet ist, psychische Probleme entwickelt oder sogar einen Burnout hat. Aber warum ist das so? Ist die Arbeit für den guten Zweck so viel anstrengender als in anderen Bereichen? Sind wir vielleicht einfach besonders anfällig für Stress? Und was können wir dem entgegensetzen?

Ein Gastbeitrag von Medje Prahm, Förderexpertin bei PHINEO und selbstständige Beraterin für Stressbewältigung

Zunächst einmal zur Theorie: Burnout ist ein Syndrom, das sich aus einem Kreislauf von Stress, Überlastung und Überforderung am Arbeitsplatz entwickelt. Ein unbehandelter Burnout führt für die meisten Menschen zu einer Depression oder einer Belastungsdepression. Menschen, die einen Burnout entwickeln, arbeiten über einen längeren Zeitraum über ihre eigenen Kapazitäten, Bedürfnisse und Ressourcen hinaus – allerdings stoppen sie nicht, wenn sie scheitern oder auf dem Weg Probleme entwickeln. Stattdessen arbeiten sie immer verbissener und härter, bis es nicht mehr weiter geht.

Viele Menschen ziehen sich auch zunehmend von ihren sozialen Kontakten zurück. Hauptsymptome eines Burnouts sind absolute emotionale Erschöpfung, also ein Gefühl des Ausgelaugtseins oder Energielosigkeit, aber auch Frustration, Distanz und Abwertung der eigenen Arbeit und eine verringerte Arbeitsleistung.

Aber warum gerade Menschen, die Gutes tun?

Es gibt zwei Dimensionen, die bedingen, ob ein Mensch dazu tendiert, einen Burnout zu entwickeln: das Arbeitsumfeld und die persönlichen Eigenschaften. Beide Faktoren zusammen machen es wahrscheinlicher, dass ein Mensch einen Burnout erleidet. Meine Erfahrung ist, dass insbesondere die individuellen Faktoren besonders häufig bei Menschen vorkommen, die in gemeinnützigen Organisationen und für andere Menschen arbeiten! Hier einige der individuellen Faktoren:

  • idealistische Erwartungen an sich selbst, Perfektionismus
  • eigene Bedürfnisse unterdrücken, es immer allen recht machen wollen
  • das Gefühl, unersetzbar zu sein und nicht delegieren zu können oder zu wollen
  • Arbeit ist zentrale sinngebende Beschäftigung und teils Ersatz für soziales Leben

Das kommt Dir bekannt vor? Wahrscheinlich zieht der gemeinnützige Sektor besonders oft Menschen an, die idealistisch sind und Sinn in ihrer Arbeit suchen. Das ist an sich auch überhaupt kein Problem. Ich finde, das sind sehr schöne Eigenschaften für ein erfülltes Arbeitsleben! Erst die Kombination mit dem Arbeitsumfeld macht es schwieriger: Wahrscheinlich sind dir auch einige der begünstigenden Faktoren aus dem Arbeitsumfeld bekannt:

  • hohe Arbeitsanforderungen, Zeitdruck, Druck von Vorgesetzten
  • viel Verantwortung
  • Mangel an Aufstiegsmöglichkeiten
  • wenig positives Feedback
  • Arbeitsplatzunsicherheit
  • mangelnde Ressourcen (Zeit, Geld, Arbeitsausstattung)
  • schlechte Führung, unklare Rollen, administrative Probleme

Die große Problematik im sozialen Sektor ist ja, dass die Arbeit niemals so ganz getan ist: Es gibt immer noch mehr zu helfen und zu tun! Insbesondere jetzt, mit den vielen Geflüchteten, und den Auswirkungen von über zwei Jahren Pandemie auf die Psyche vieler Menschen. Und wir wollen ja auch helfen – weshalb es so schwer ist, innezuhalten, und sich nicht völlig aufzureiben im Kampf für den guten Zweck.

Was kann ich tun, um nicht auszubrennen? 3 erste Schritte gegen Burnout

Deshalb hier ein paar erste und recht simple Tipps von mir, wie Du Dich vor den ersten Schritten Richtung Burnout schützen kannst:

  1. Ein erster Schritt, um nicht in den Strudel von Überforderung und Überarbeitung zu geraten, ist die Erkenntnis, ob du selbst Charaktereigenschaften oder ein Arbeitsumfeld hast, die einen Burnout begünstigen. Wenn das so ist, solltest du besonderes Augenmerk darauf legen, ob du dich ausgebrannt, frustriert oder dauerhaft überfordert fühlst.
  2. Ein zweiter, und sehr wichtiger Schritt ist die Erkenntnis, dass eine ausgebrannte Person Niemandem mehr helfen kann. Auf dich, deine Bedürfnisse und Grenzen zu achten, ist also die Voraussetzung dafür, dass du langfristig vollen Einsatz geben und vielen Menschen helfen kannst.
  3. Im dritten Schritt solltest Du analysieren: Welche meiner Eigenschaften und welche Faktoren bei meiner Arbeit sind meine Stresstreiber? Kann ich davon einige anpassen? Vielleicht gibt es ja die Möglichkeit, mehr Feedback und Anerkennung von deinen Vorgesetzten zu erhalten, wenn du ihnen mitteilst, dass das wichtig für deine Motivation ist. Vielleicht musst du aber auch aussprechen, dass du zu viel Arbeitsbelastung hast und dein Team kann dir ein wenig Freiraum geben.

Deine Charaktereigenschaften solltest du auf keinen Fall ändern! Aber vielleicht tut es beim nächsten Projekt ja auch ein gutes Projektergebnis, statt einem perfekten, für das du die Feierabende opferst? Oder vielleicht hilft dir die Erkenntnis, dass die Welt nicht zusammenbricht, wenn du deine Arbeit für ein langes Wochenende liegen lässt und dich stattdessen um deine Gesundheit kümmerst.

Wenn du das Gefühl hast, die Krise nicht mehr aufhalten zu können, solltest du dir natürlich umgehend Hilfe suchen. Hier findest du einige Stellen, bei denen du sicher und anonym Unterstützung in Krisenzeiten bekommst.

Expertin:

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