Spen­den mit Wirkung

Kli­ma­schutz braucht eine star­ke Lob­by und viel Geld”

Interview mit Sven Braune,
19.12.2022

PHI­NEO: Nicht nur zum Jah­res­en­de möch­ten vie­le Men­schen für einen guten Zweck spen­den. Die The­men sind zahl­reich: Ukrai­ne, Armut, Flucht und nicht zuletzt die Kli­ma­kri­se. Wo fängt man an? 

Sven Brau­ne: Tat­säch­lich brennt es in der Welt an allen Ecken und Enden. Coro­na, Bil­dung, Pfle­ge, all das kommt ja noch dazu. Man soll­te also schau­en, was einem per­sön­lich wich­tig ist. Manch­mal kom­men Anre­gun­gen aus der eige­nen Fami­lie oder dem Freun­des­kreis. Mit Herz zu spen­den ist gut, aber man soll­te die gro­ßen The­men nicht aus dem Blick ver­lie­ren, auch wenn sie wei­ter weg erscheinen.

PHI­NEO: Das The­ma Ukrai­ne ist gera­de beson­ders präsent …. 

Sven Brau­ne: Stimmt, die Aus­wir­kun­gen spü­ren wir ja in unse­rem All­tag, das stärkt übli­cher­wei­se den Wunsch, hel­fen zu wol­len. Unter­stüt­zung wird auch über­all gebraucht, bei der Not­ver­sor­gung der Men­schen vor Ort genau­so wie für die Flüch­ten­den oder auch den Wie­der­auf­bau in der Ukrai­ne.

Wer hel­fen will, spen­det oft an die gro­ßen Hilfs­or­ga­ni­sa­tio­nen, da kann man erst­mal nichts falsch machen. Sie ver­fü­gen über pro­fes­sio­nel­le Struk­tu­ren und viel Erfah­rung, haben Netz­wer­ke und poli­ti­schen Ein­fluss, das kön­nen klei­ne­re Orga­ni­sa­tio­nen oder pri­va­te Initia­ti­ven meist nicht leisten.

PHI­NEO: Vie­le Men­schen wol­len aber gera­de deren Enga­ge­ment unter­stüt­zen. Sind Spen­de dort schlech­ter aufgehoben?

Sven Brau­ne: Nein, kei­nes­wegs, aber man muss schon genau hin­schau­en. Nicht alle, die Spen­den sam­meln, sind seri­ös oder kön­nen gewähr­leis­ten, dass das Geld sinn­voll ein­ge­setzt wird. Klei­ne Orga­ni­sa­tio­nen sind zum Teil sehr agil, kön­nen oft schnel­ler die rich­ti­gen Bedar­fe, zur rich­ti­gen Zeit und im pas­sen­den Umfang erken­nen und decken. Vie­le Initia­ti­ven zur Ver­mitt­lung von Unter­künf­ten, Ver­tei­lung von Lebens­mit­teln, Klei­dung und Medi­ka­men­ten sind im wahrs­ten Sin­ne des Wor­tes über Nacht ent­stan­den.

Aber gut gemeint ist nicht immer gut gemacht, beson­ders dann, wenn Enga­gier­te ohne Infra­struk­tur und Netz­werk ein­fach los­le­gen. Vie­le haben nicht mal ein Kon­to zur Spen­den­ab­wick­lung, Ver­si­che­rung oder über die Absi­che­rung der Mit­ar­bei­ten­den nachgedacht.

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PHI­NEO: Wel­che Mög­lich­kei­ten gibt es denn, wenn man den­noch gera­de die­se klei­ne­ren und pri­va­ten Initia­ti­ven stär­ken will?

Sven Brau­ne: Zur Unter­stüt­zung spon­tan oder auch vor­über­ge­hend auf­ge­leg­ter Kri­sen­not­hil­fe haben wir WE AID gegrün­det. WE AID bie­tet pro­fes­sio­nel­le Orga­ni­sa­ti­ons­struk­tu­ren für ande­re, sozu­sa­gen auf Zeit, stellt Pro Bono Rechts­be­ra­tung, Buch­hal­tung und Steu­er­be­ra­tung zur Ver­fü­gung, prüft aber auch die Men­schen hin­ter einer Initia­ti­ve. Das ermög­licht pri­va­ten Initia­ti­ven die Umset­zung ihres gemein­nüt­zi­gen Enga­ge­ments inner­halb weni­ger Stun­den oder Tage.

Wem wich­tig ist, klei­ne­ren Initia­ti­ven struk­tu­rell den Rücken zu stär­ken, kann also an WE AID spen­den. Das gilt auch für unser Impact-Start­up-Pro­gramm. Aktu­ell bie­ten wir ukrai­ni­schen Gründer*innen ein Unter­stüt­zungs­pro­gramm, ange­fan­gen von Infra­struk­tur über Men­to­ring bis hin zum Netz­werk. Das gibt ihnen die Mög­lich­keit, ihren Ideen und Lösun­gen für Geflüch­te­te, für Ernäh­rungs­si­cher­heit, Ener­gie­ver­sor­gung, Gesund­heit und Wie­der­auf­bau erfolg­reich umzusetzen.

PHI­NEO: Sie sagen aber auch, man darf die Kli­ma­kri­se nicht aus dem Auge ver­lie­ren. Das Hoch­was­ser an der Ahr hat uns deut­lich gezeigt, was der Kli­ma­wan­del auch in unse­rem All­tag bedeutet.

Sven Brau­ne: Wenn es um Natur­ka­ta­stro­phen geht, sind gro­ße Hilfs­or­ga­ni­sa­tio­nen aktiv, allen vor­an die gro­ßen Kata­stro­phen­hilfs­wer­ke. Die ver­sor­gen Men­schen mit Lebens­mit­teln und bau­en Infra­struk­tur wie­der auf. Aller­dings müs­sen wir prä­ven­ti­ver agie­ren und in den Kli­ma­schutz inves­tie­ren. Spen­den für Wald­schutz­pro­jek­te sind grund­sätz­lich in Ord­nung. Wäl­dern leis­ten ein Bei­trag zum Kli­ma­schutz, sie neh­men viel CO2 auf, Auf­fors­tung ist also gut. Der Erhalt der tro­pi­schen Regen­wäl­der ist wich­tig, das ist eine der Top-10-Maß­nah­men im Kli­ma­schutz.

Schwie­rig ist es aller­dings, die Wir­kung zu erfas­sen. Ein Wald ent­fal­tet sei­ne vol­le Wir­kung als CO2-Spei­cher frü­hes­tens nach 50 Jah­ren. Solan­ge muss er auch gesund und erhal­ten blei­ben und das ist wahr­lich oft genug nicht der Fall. Bei Auf­fors­tungs­pro­jek­ten gilt es auch genau hin­zu­schau­en, ob nega­ti­ve sozia­le Fol­gen etwa, weil Men­schen die Land­nut­zung auf­ge­ben müs­sen und Pro­ble­me bei der Nah­rungs­ver­sor­gung entstehen.

PHI­NEO: Das hört sich kom­pli­ziert an. Bes­ser also für den Erhalt des regio­na­len Baum­be­stan­des spenden?

Sven Brau­ne: Spen­den für den Erhalt des Ama­zo­nas, eines deut­schen Wal­des oder einer Moor­land­schaft hier­zu­lan­de: Alles kann hel­fen, Treib­haus­ga­se zu bin­den. Noch grö­ßer ist der Effekt, wenn der wei­te­re Aus­stoß von Treib­haus­ga­sen ver­hin­dert wird. Ich hal­te viel davon, regio­nal zu spen­den. Und ich hal­te Spen­den für sinn­voll, die für grund­le­gen­de Ver­än­de­run­gen in Poli­tik und Wirt­schaft wir­ken und damit an die Wur­zel des Kli­ma­wan­dels gehen.

Sie kön­nen also auch an eine Orga­ni­sa­ti­on spen­den, die sich lokal, natio­nal oder auch glo­bal für kli­ma­freund­li­che Geset­ze enga­giert. Kli­ma­schutz braucht eine star­ke Lob­by und viel Geld, denn die Geg­ner von Kli­ma­schutz sind ein­fluss­reich und nicht arm. Alles in Rich­tung Kli­ma­bil­dung, Betei­li­gung und Akzep­tanz für Koh­le­aus­stieg, Tem­po­li­mit oder den Bau von Wind­rä­dern ver­dient eine Spen­de, solan­ge die Orga­ni­sa­ti­on auf die Wir­kung achtet.

PHI­NEO: Wor­an erken­ne ich eine Orga­ni­sa­ti­on, die Spen­den wirk­sam einsetzt?

Sven Brau­ne: Jede Art von Pro­jekt oder Kam­pa­gne soll­te eher Lösun­gen prä­sen­tie­ren, mit kla­ren Zie­len und Ziel­grup­pen arbei­ten. Die Orga­ni­sa­tio­nen soll­ten trans­pa­rent sein, aktu­el­le Infor­ma­tio­nen zu ihren Pro­jek­ten, zu ihrer Finan­zie­rung, Jah­res­be­rich­te und eine Tele­fon­num­mer für Nach­fra­gen ver­öf­fent­li­chen. Es geht um Ver­trau­en.

Ein Hin­weis auf Ver­trau­ens­wür­dig­keit ist das Logo der Initia­ti­ve Trans­pa­ren­te Zivil­ge­sell­schaft. Auch das DZI-Spen­den­sie­gel zeigt an, dass eine Orga­ni­sa­ti­on trans­pa­rent arbei­tet und in ihren Pro­jek­ten die Men­schen­rech­te schützt. Unser PHI­NEO-Wirkt-Sie­gel bestä­tigt, dass ein Pro­jekt hohes Wir­kungs­po­ten­zi­al hat, also lang­fris­tig posi­ti­ve Ver­än­de­run­gen bei Ziel­grup­pen und in der Gesell­schaft errei­chen. Man muss dabei lang­fris­tig den­ken und handeln.

PHI­NEO: Und wie sieht die opti­ma­le Spen­de ganz prak­tisch aus? Ein gro­ßer Betrag oder vie­le klei­ne, eine Orga­ni­sa­ti­on oder mehrere?

Vie­le klei­ne Spen­den bedeu­ten viel Auf­wand in der Ver­wal­tung und weni­ger lang­fris­ti­ge Plan­bar­keit. Bes­ser sind grö­ße­re Spen­de, jeden­falls wenn man die Mög­lich­keit dazu hat.

Sehr wich­tig ist es auch, ohne Zweck­bin­dung für ein bestimm­tes Pro­jekt oder ein The­ma zu spen­den. Die Arbeit der Orga­ni­sa­tio­nen ent­fal­tet meist erst durch pro­fes­sio­nel­le Struk­tu­ren, gute Pla­nung und qua­li­fi­zier­te Mit­ar­bei­ten­de, die fair bezahlt sind, eine ech­te Wir­kung. Zweck- und the­men­ge­bun­de­ne Spen­den füh­len sich gut an, schrän­ken eine Orga­ni­sa­ti­on aber ein.

Man soll­te beim Spen­den des­halb die sozia­le Nach­hal­tig­keit mit­den­ken und auch freie Mit­tel für gute Arbeits­be­din­gun­gen in Orga­ni­sa­tio­nen und Pro­jek­ten geben.

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Sven Brau­ne, PHINEO-Wirkungsanalyst

Ich rate, eher eine Orga­ni­sa­ti­on sub­stan­zi­ell zu unter­stüt­zen, als zu vie­le ein bisschen.”

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Wiebke Gülcibuk

Leitung Kommunikation & Vorstandsbevollmächtigte
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wiebke.guelcibuk@phineo.org